24.05.2024
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Politischer Aktionismus zum Leidwesen der Patienten

Der jüngst veröffentlichte Klinik-Atlas des Bundesgesundheitsministeriums bildet das Versorgungsangebot im Westmünsterland absolut unzureichend und in Teilen grob falsch ab. Dies führt zu einer Verunsicherung und Fehlsteuerung von Patientinnen und Patienten und ist nicht tolerierbar.

Konkret soll im Bundes-Klink-Atlas eigentlich zu erkennen sein, welches Krankenhaus welche Versorgungsleistung anbietet und wie oft diese dort durchgeführt wurde. So soll den Patientinnen und Patienten die Auswahl der geeignetsten Klinik erleichtert werden. Doch genau dies funktioniert offensichtlich nicht. Schon die Diagnose- und Behandlungssuche ist für Laien eine echte Herausforderung. Wer nicht die korrekte Bezeichnung nach OPS- (Prozeduren) und ICD-Codierung (Diagnosen) und damit den genauen medizinischen Fachbegriff kennt, erhält oftmals falsche Ergebnisse.

Auch die Datenbasis ist weder aktuell noch valide. So werden im Falle des Klinikums Westmünsterland ganze Leistungsbereiche wie z.B. das zertifizierte Brustzentrum Westmünsterland gar nicht dargestellt. Da die verarbeiteten Daten aus dem Jahr 2022 stammen, fehlen im Bundes-Klinik-Atlas außerdem alle Fälle, die im Jahr der Datenerhebung am ehemaligen Krankenhausstandort in Stadtlohn durchgeführt worden sind.

„Diese Versorgungsangebote sind damit aber natürlich nicht entfallen, sondern werden vollumfänglich und gebündelt mit weiteren medizinischen Leistungen an den größeren und nach modernen Gesichtspunkten ausgestatteten Standorten in Ahaus, Bocholt und Borken vorgehalten. Im Bundes-Klink-Atlas werden die Leistungen aber nicht ausgewiesen. Entweder hätte man daher aktuellere Daten verwenden müssen oder die Fälle aus Stadtlohn anderen Standorten zuweisen müssen“, erklärt Ludger Hellmann, Sprecher der Geschäftsführung im Klinikum Westmünsterland.

„Es wäre besser gewesen, die Seite später mit höherem Reifegrad und validen Daten an den Start zu bringen.“

Ludger Hellmann, Sprecher der Geschäftsführung

Besonders deutlich wird dies etwa im Bereich der kardiologischen Versorgung. Für das St. Marien-Krankenhaus Ahaus, das die Versorgung im Bereich der interventionellen Kardiologie aus Stadtlohn übernommen hat, werden für den Suchbegriff „Akuter Herzinfarkt“ nur 62 behandelte Fälle pro Jahr angegeben. Gemeinsam mit dem 2022 noch in Betrieb befindlichen Standort Stadtlohn wurden aber insgesamt über 250 Fälle mit der Diagnose „Akuter Herzinfarkt“ behandelt.

Gleiches gilt für die Geburtshilfe, die im südlichen Teil des Kreises Borken in Bocholt konzentriert wurde. Auch hier werden veraltete Zahlen veröffentlicht, welche die Zusammenlegung der beiden geburtshilflichen Abteilungen in Borken und Bocholt nicht berücksichtigen. Die Folge: Werdenden Familien aus Borken, die eine geburtshilfliche Klinik suchen, wird das nächstgelegene St. Agnes-Hospital Bocholt erst an Position 22 hinter Kliniken in Essen, Witten, Münster, Gelsenkirchen, Oberhausen, Duisburg oder sogar Dortmund angezeigt. Sogar der Standort Borken selbst wird noch mit Geburten dargestellt. Zudem ist die Fallzahlangabe in Bocholt ebenfalls falsch. Statt über 1.000 Geburten, die in Bocholt im Jahr stattfinden, wird die Anzahl mit 742 angegeben.

Angezeigt wird bei jeder Behandlungs- oder Krankheitssuche durchgängig auch der sogenannte „Pflegepersonalquotient“ des jeweiligen Krankenhauses. „Natürlich ist das ein wichtiger Aspekt, nur was bringt der Quotient, wenn es primär um die Suche nach medizinischen Angeboten geht?“, erklärt Hellmann weiter. Aussagen zu Fachärzten und zur Besetzung mit hochqualifizierten Fachpflegekräften wie beispielsweise Hebammen oder onkologischer Fachpflege fehlen bislang vollständig.

Vorgefiltert ist das Suchergebnis immer nach der Kapazität. Das heißt, Kliniken welche die meisten Eingriffe im Bereich des Suchbegriffs anbieten, erscheinen automatisch auch oben und das völlig unabhängig von der vorgehaltenen Strukturqualität. Auch das Klinikum Westmünsterland strebt mit seiner wechselseitigen Schwerpunktbildung Qualitätsverbesserungen durch eine Erhöhung der Anzahl von Eingriffen an einzelnen Standorten an und wird damit seit Jahren dem politischen Ziel der Spezialisierung vollständig gerecht. Die bloße Fokussierung auf die Quantität führt aber zum Teil zu einer katastrophalen Fehlleitung der Patienten. So führt das Klinikum Westmünsterland etwa im Bereich Pankreaskrebs am Standort Bocholt das einzige in der Region durch die Deutsche Krebsgesellschaft zertifizierte Zentrum. Im Suchergebnis erscheint dieses aber hinter anderen kleineren Krankenhäusern, die nicht über die gleiche Strukturqualität verfügen und auch nicht zertifiziert sind, aber eine leicht höhere Fallzahl aufweisen. Behandlungen von komplexen Krankheitsbildern wie Pankreaskrebs in nicht geeigneten Strukturen sind ein Umstand, den Minister Lauterbach eigentlich zu Recht kritisiert, mit der aktuellen Darstellung im Bundes-Klinik-Atlas jedoch selbst provoziert.  

„Es wäre besser gewesen, die Seite später mit höherem Reifegrad und validen Daten an den Start zu bringen“, kritisiert der Sprecher der Geschäftsführung, „so ist der Bundes-Klinik-Atlas nicht mehr als politischer Aktionismus zu Lasten des Steuerzahlers und zum Leidwesen der Patienten. Wir stellen uns nicht gegen Transparenz, erwarten aber Fairness und Korrektheit in der Darstellung unserer Leistungsfähigkeit!“.