Schmerzen haben niemals nur eine einzige Ursache. Jeder Schmerz, gleich ob akut oder chronisch, hat immer schmerzverstärkende oder schmerzlindernde Einflussfaktoren aus den Bereichen Körper, Seele und soziales Umfeld. Schmerztherapeuten sprechen daher vom sogenannten bio-psycho-sozialen Modell der Schmerzaufrechterhaltung.
Entsprechend vielfältig müssen Diagnostik und Therapie gestaltet werden. Dabei kommen häufig auch Themen zur Sprache, die auf den ersten Blick keine Verbindung zu den Schmerzen haben. Bitte vertrauen Sie uns, daß wir nur Themen ansprechen, bei denen wir einen Bezug zu Ihrer Schmerzerkrankung vermuten. Falls Sie auf einzelne Fragen nicht antworten möchten, nehmen wir darauf natürlich Rücksicht.
Zentrum für Schmerzmedizin
Multimodale Schmerztherapie
Chronische Schmerzen, insbesondere Rückenschmerzen, können im Alltag stark einschränken. Darunter kann auch die seelische Verfassung von Patientinnen und Patienten mit Schmerzerkrankungen leiden. Hier kommt die multimodale Schmerztherapie zum Einsatz. Bei diesem Konzept arbeiten Ärztinnen und Ärzte mit Therapeutinnen und Therapeuten verschiedener Bereiche Hand in Hand zusammen, um die chronischen Schmerzen zu behandeln.
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Zentrum für Schmerzmedizin
Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie
St. Marien-Hospital Borken
Am Boltenhof 7, 46325 Borken
Sekretariat: Marion Bergerbusch
Tel.: 02861 97-2100
Ursachen für chronische Schmerzen
Zunächst werden gemeinsam die Ursachen für die chronischen Schmerzen erforscht. Häufig finden sich neben strukturellen Veränderungen („Verschleiss“) ausgeprägte sogenannte funktionelle Störungen: Fehlbalancen, Verspannungen, Abschwächungen u.s.w.
Neben körperlichen (biologischen) können auch geistige, gefühlsmäßige und soziale Einflussfaktoren wirksam sein, die das Schmerzgeschehen reduzieren oder verstärken können. Man spricht deshalb auch vom „bio-psycho-sozialen Modell“. Diese Sicht macht einen interdisziplinären Therapieansatz notwendig, welcher Fachärztinnen und Fachärzte verschiedener Richtungen, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten miteinschließt.
Psychosoziale Risikofaktoren sind:
- Konflikte am Arbeitsplatz
- Rentenbegehren
- Konflikte in der Familie / Partnerschaft
- Ängstliche Aufmerksamkeit auf körperliche Prozesse
- Inadäquates Krankheitsverhalten (Vermeidung / Schonung)
- Verhaltensbesonderheiten (z.B. „fröhliche“ Durchhalter, 250%ig sein)
- Hinweise für das Vorliegen psychischer Störungen
Mögliche Ziele einer multimodalen Schmerztherapie
Als erster Schritt der Therapie werden individuelle Therapieziele vereinbart, die deutlich über die reine Schmerzlinderung herausgehen können.
- Alltagstätigkeiten wiederaufnehmen
- Arbeitsfähigkeit aufrechterhalten oder wiederherstellen und Arbeitsaufnahme fördern
- Körperliche Schwächen abbauen
- Bewegungsangst verringern
- Risikoverhalten verändern (z. B. Schonverhalten, Durchhalteverhalten)
Kombination verschiedener Therapieeinheiten
In einer interdisziplinären Schmerzkonferenz treffen sich alle Therapeuten und entscheiden, welche Therapien der Patientin oder dem Patienten helfen können.
Die multimodale Schmerztherapie kombiniert verschiedene Therapieeinheiten über einen festgelegten Zeitraum. Im Rahmen der stationären Behandlung ist eine besonders hohe Therapiedichte machbar. Schwerpunkte sind die aktivierende Physio- und Sporttherapie, medikamentöse, interventionelle und psychologische Verfahren. Neben Einzel- und Gruppenangeboten werden Selbstbehandlungsmaßnahmen und Entspannungstechniken vermittelt, die Sie in Ihrem Alltag anwenden können.
Beispiele für in unserer Klinik angewandte Therapieverfahren:
- Einzelphysiotherapie und Gruppenphysiotherapie (z.B. Tiefenstabilisation)
- Medizinische Trainingstherapie und Sporttherapie (z.B. Nordic Walking)
- Entspannungsverfahren wie Progressive Muskelentspannung nach Jacobson
- Physikalische Verfahren wie TENS, Wärme- und Kälteanwendungen, Kinesiotape
- Ergotherapie (z.B. ADL-Training, Arbeitsplatztraining)
- CO2-Reflextherapie
- Alternative Verfahren wie Akupunktur, Blutegeltherapie
- Psychologische Verfahren wie Einzelgespräche, Achtsamkeitstraining,
- u.v.m.
Am Ende einer stationären multimodalen Schmerztherapie soll neben einer Linderung der Schmerzen auch eine Verbesserung der Funktion stehen.
Ziele und Durchführung der Interdisziplinären Multimodalen Schmerztherapie
Ziele dieser „Funktionsverbesserung“ im körperlichen Bereich sind z.B. die Steigerung von Fitness, Belastungskapazität, Koordination und Körperwahrnehmung. Außerdem sollen die Patienten lernen, ihre persönlichen Belastungsgrenzen besser zu kontrollieren. Mit den psychotherapeutischen Verfahren will man die emotionale Beeinträchtigung verringern, das auf Ruhe und Schonung ausgerichtete Krankheitsverhalten sowie die Einstellungen und Befürchtungen in Bezug auf Aktivität und Arbeitsfähigkeit verändern. Besonders wichtig ist dabei die Aufklärung des Patienten und die Feststellung möglicher psychosozialer und beruflicher Belastungen.
Aufgrund der Komplexität des Geschehens und der erforderlichen hohen Therapiedichte kann eine interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie meistens nur stationär durchgeführt werden. Die Behandlungsdauer liegt im Schnitt bei ca. 14 Therapietagen.
Vorteile der stationären multimodalen Schmerztherapie
- Multiprofessionelles Team mit festen Bezugstherapeuten
- Therapeuten mit ausreichend Zeit und Qualifizierungen im Bereich Schmerztherapie
- Intensive Behandlung (mehrere Stunden/Tag), vorrangig in kleinen Gruppen (i.d.R. 8 Patienten)
- Begleitend regelmäßige Einzelgespräche/Einzelbehandlungen (insbesondere beim Arzt und Psychologen)
- Enge und regelmäßige Absprache der Therapeuten im Team
- Der Behandlungsschwerpunkt liegt auf nicht-medikamentösen Therapieverfahren mit körperlich-aktivierenden Methoden
- Gut verständliche Informationen über Schmerz und Schmerzentstehung
- Passive Verfahren (z. B. Massage) nur dann, wenn sie in das aktivierende Konzept eingebunden sind
- Erlernen alltagstauglicher und individueller Strategien zur Schmerzbewältigung/Schmerzkontrolle
Wann ist eine stationäre multimodale Schmerztherapie angezeigt?
- Wenn die Lebensqualität deutlich beeinträchtigt ist.
- Wenn die Arbeitsfähigkeit bedingt durch die Schmerzen bedroht ist.
- Wenn trotz zahlreicher ambulanter Therapieversuche keine durchgreifende und anhaltende Linderung zu erreichen ist.
- Bei einer Medikamentenabhängigkeit oder einem Medikamentenfehlgebrauch.
- Bei einer psychischen Erkrankung, die wesentlichen Einfluss auf die Schmerzen hat.
- Bei einer körperlich einschränkenden Erkrankung, die eine ambulante Schmerztherapie unmöglich macht.
Was bedeutet „Schmerztherapie“?
Die Behandlung chronischer Schmerzen kann schwierig und langwierig sein. Gemeinsam versuchen wir, die Ursachen wie auch die Bedeutung des Schmerzes und seine Zusammenhänge zu ergründen, um so ganz individuelle Maßnahmen für Sie herauszuarbeiten. Basis dafür ist Offenheit und Ehrlichkeit, der „Blick hinter die Fassade“. Denn nur so ist es möglich, die Situation ganzheitlich zu erkennen und mit der Zeit annehmen zu können. Dazu gehört auch die Bereitschaft, sich selbstverantwortlich für das Erreichen gemeinsam vereinbarter Ziele einzusetzen. Unser Ziel ist es, gemeinsam einen Weg zu finden, wie Sie hilfreich mit dem Schmerz umzugehen und künftig mit deutlich weniger Beeinträchtigungen und einer verbesserten Lebensqualität leben können.
Um unseren Patienten einen größtmöglichen Therapieerfolg zu ermöglichen, basieren unsere Therapien auf folgenden Grundsätzen:
Methoden, die nur kurzfristig helfen, sind selten zielführend. Nur eine nachhaltige Schmerztherapie kann zu einer anhaltenden Linderung führen.
Methoden, die nur kurzfristig helfen, sind selten zielführend. Nur eine nachhaltige Schmerztherapie kann zu einer anhaltenden Linderung führen.
Wir bieten Ihnen ausschließlich Therapien an, von deren Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit wir selbst überzeugt sind.
Hinweise zu Opiaten und Cannabis
Opiate sind starke Schmerzmittel. Zu ihnen gehört auch das bekannte Morphium. Die Wirkstoffe unterscheiden sich in ihrer Wirkstärke, es gibt mildere Substanzen wie z.B. Tilidin und Tramadol und stärkere Substanzen wie z.B. Oxycodon, Hydromorphon und Fentanyl. Die meisten Opiate fallen unter das Betäubungsmittelgesetz. Ihre Verordnung ist an bestimmte Voraussetzungen gekoppelt. Grundsätzlich kann jeder Arzt Betäubungsmittel verordnen. Neu aufgenommene Patienten benötigen, wenn wir eine bestehende Opiattherapie fortsetzen sollen, einen Nachweis, dass sie aktuell Opiate einnehmen. Dies kann z.B. ein aktueller Entlassungsbericht oder ein aktueller Medikamentenplan sein. Wir behalten uns vor, zu Ihrem Schutz eine Opiatverordnung abzulehnen. Für Bestandspatienten, die aktuell Opiate erhalten, oder bei denen wir uns entscheiden, dass eine Opiattherapie begonnen werden soll, erhalten die Opiatverordnungen natürlich von uns.
Cannabisprodukte, genauer aus Medizinalhanf hergestellte Medikamente, unterliegen einer besonderen Zulassung. Grundsätzlich kann jeder Arzt Cannabis verordnen. Die Verordnung unterliegt nicht nur den Regularien des Betäubungsmittelgesetzes. Zusätzlich besteht nur eine politische gewollte, aber medizinisch-wissenschaftlich nicht gestützte, vorläufige Zulassung. Hinzu kommt, dass die wissenschaftliche Datenlage äußerst eingeschränkt ist. Das bedeutet, dass für viele Erkrankungen, insbesondere für viele Arten von Schmerzen, die Wirkung nicht wissenschaftlich nachgewiesen ist. Zur Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen ist ein gesonderter Antrag notwendig. Dieser Antrag ist nur in speziellen Fällen erfolgversprechend. Da die Stellung dieses Antrages für uns ein sehr zeitaufwendiger Vorgang ist, der nicht angemessen vergütet wird, macht eine Antragstellung nur in den seltenen erfolgversprechenden Fällen Sinn. Cannabis ist nicht indiziert bei: funktionellen Rückenschmerzen, Depressionen, ADHS, Arthroseschmerzen, Nackenschmerzen, Ganzkörperschmerzen u.v.m.
Ihr Ansprechpartner
Dr. Thomas Kaulingfrecks
Oberarzt der Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie
Facharzt für Anästhesie
Zusatzweiterbildung: Spezielle Schmerztherapie